Zwischen Stagnation und Innovation - 04/2023

Zwischen Stagnation und Innovation

Die Aus- und Weiterbildung von Immersionslehrkräften in den Deutschschweizer Schulen auf Stufe Sek II befindet sich zurzeit in einem interessanten Spannungsfeld. Die Immersionsprogramme sind an vielen Schulen dieser Stufe gut etabliert (vgl. Elmiger 2022) und haben ihre Pionierzeit hinter sich gelassen. Schulleitungen und Lehrpersonen sind froh, dass der grosse Aufwand, der bei der Umstellung des Unterrichts angefallen ist, durch eine gewisse Routine wieder reduziert werden konnte. Programmverantwortliche freuen sich über die Popularität der Immersion und die Lehrpersonen können sich inzwischen innerhalb der Schulen oft auf einen grossen Fundus an Materialien und Erfahrungen stützen. Wenn heute bildungspolitisch von Innovationen gesprochen wird, meinen die meisten damit nicht mehr die Immersion. Dennoch: Der Bedarf an Lehrkräften, die zusätzlich immersiv unterrichten können, ist ungebrochen. Diese Entwicklung schafft ein Spannungsfeld. Auf eine Pionier- sollte eigentlich eine Professionalisierungsphase folgen. Was in vielen anderen Ländern mit etablierten Immersionslehrgängen bereits seit längerem erfolgt ist, bleibt in der Schweiz auch heute noch oft Stückwerk. Wohl sind seit der Pionierzeit interessante Forschungsbeiträge zur Immersion in der Schweiz entstanden (z.B. Badertscher, Bieri 2008), wohl haben einzelne Kantone Qualifikationsmerkmale für die immersive Lehrbefähigung formuliert, sind einige Kollegien gut vernetzt und scheint ein grosses Weiterbildungsbedürfnis zu bestehen, aber gleichzeitig unterrichten immer noch viele Lehrpersonen immersiv, ohne dass sie dafür eine notwendige solide didaktische Zusatzausbildung erhalten haben. Die Wissenschaft betont immer wieder, dass eine solche zentral ist, um mit der Immersion mehr zu erreichen als einen kurzfristigen Vorsprung in den Sprachkenntnissen (z.B. Coetzee-Lachmann, 2007). Gerade in der Immersion, einem Bereich, in welchem in den letzten zehn Jahren in Theorie, Forschung und Praxis viele neue Erkenntnisse gewonnen wurden und in welchem gleichzeitig aufgrund der oft fehlenden Professionalisierung vieles immer noch von der Eigeninitiative der Lehrpersonen abhängt, ist diese fehlende didaktische Expertise in den Klassenzimmern problematisch. Das Programm funktioniert, aber es könnte noch besser werden.
Gleichzeitig werden die zur Verfügung stehenden Angebote für Aus- und Weiterbildung erfreulicherweise vielfältiger. Oft, wenn auch nicht ausschliesslich, konzentrieren sich Immersionsmodelle, welche weitere Landessprachen ins Zentrum rücken, auf längere Aufenthalte in Schulen der entsprechenden Sprachregionen. Dies ermöglicht ein klassisches Sprachbad an einem anderen Ort und kann von der eigenen Schule nur sehr beschränkt didaktisch begleitet werden. In der Deutschschweiz dominieren aber in vielen Regionen immersive Modelle, in welchen Teile des Stoffs an der eigentlich deutschsprachigen Schule auf Englisch unterrichtet werden (vgl. Elmiger 2022). Nicht überraschend konzentrieren sich die Aus- und Weiterbildungsangebote der Deutschschweiz deshalb auf letzteres. Die Universität Zürich, diverse Pädagogische Hochschulen, die Weiterbildungsorganisation FORMI und andere bieten ein breites Angebot an Aus- und Weiterbildungen an, welche sich entweder auf Gymnasien oder vermehrt auch auf andere Lehrgänge der Sek II mit ihren jeweiligen immersiven oder bilingualen Angeboten spezialisiert haben. Es ist zu hoffen, dass diese Angebote und die Fachleute, welche diese verantworten, vermehrt zu Katalysatoren werden, damit die Erfolgsgeschichte der Immersion nicht bloss erhalten werden kann. Vielmehr soll sie professionalisiert und am Puls der Zeit weitererzählt werden können. •

 

Michael Bühler, didacticien spécialisé en immersion, Université de Zürich, et enseignant au gymnase de Wil

 

 

Verweise

Badertscher, Hans; Bieri, Thomas: Wissenserwerb im Content and Language Integrated Learning – Empirische Befunde und Interpretationen : Haupt 2008.

Coetzee-Lachmann, Debbie: Assessment of Subject-Specific Task Performance of Bilingual Geography Learners - Analysing aspects of subject-specific written discourse: Ph.D. diss., University of Osnabrück 2007

Elmiger, Daniel; Siegenthaler, Aline; Tunger, Verena: Zweisprachige Lehrgänge in der Schweiz – Gesamtschau 2022 und Perspektiven für die weitere Entwicklung: Institut für Mehrsprachigkeit 2022.

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